Markus Rothacher: «The universe undergoes a democratisation process».

Alumni Focus

Markus Rothacher is professor for Mathematical and Physical Geodesy at ETH Zurich. The "European Geosciences Union" awarded him the Vening Meinesz Medal in 2018. He talks about the practical use of data from space and the fundamental change that space research experienced in the last years. On 25th June, Markus Rothacher will attend the Focus Event about the topic "Space – cutting edge research and high-tech".

by Sibylle Schuppli

This page is not translated. Please refer to the German version below.

Sie sind nun Professor für mathematische und physikalische Erdvermessung an der ETH Zürich. Womit beschäftigen Sie sich?

Markus Rothacher

Mein Hauptforschungsgebiet umfasst alle möglichen Anwendungen von hochgenauer Positionierung mit GPS und GNSS. Wir berechnen mit den Satelliten im Weltraum die Position von Punkten überall auf der Erde mit Millimetergenauigkeit. Es ist paradox, dass wir für die Positionierung im Millimeter oder Zentimeter Satelliten brauchen, die 20'000 Kilometer von der Erde entfernt sind. Für die Anwendung spannend sind solche Daten beispielsweise bei Erdbeben, in der Plattentektonik oder bei Hangrutschen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Permafrost. Da so genaue Messungen möglich sind, sieht man schon kleinste Verschiebungen.
 

Tohoku Erdbeben 2011
Die mit GPS gemessenen Verschiebungen aufgrund des Tohoku-Oki Erdbebens in Japan vom 11. März 2011

Weniger offensichtliche Anwendungen finden sich in der Atmosphäre, dort werden die Signale durch den Wasserdampf verzögert. Wenn man weiss seine genaue Position kennt, kann man diese Verzögerung nutzen, um den Wasserdampf zu bestimmen. Das macht man heute mit tausenden von Stationen weltweit, die Daten fliessen dann in die Meteorologie ein. Da man global überall mit den gleichen Satelliten vermisst, ergibt sich eine grosse Konsistenz. So bewegen wir uns mit diesen Daten nun auch in Richtung von Klimatologie. Aktuell haben wir die Daten von ungefähr 30 Jahren zur Verfügung.

In der Zeitmessung findet sich eine weitere, zentrale Anwendung: Zeitmessungen, wie sie bei den GNSS verwendet werden, sind viel genauer als andere Messungen, und dienen dazu, den Raum extrem genau zu vermessen. Dahinter stecken Uhren, welche extrem genau sein müssen. So kommen die Uhren für das Galileo-System aus der Schweiz. Das sind aktuell die besten Uhren im Weltraum. Galileo ist das europäische GNSS-System, welches jetzt fast fertig aufgebaut ist. Damit wird das Positionieren auf der Erde nochmals genauer. Diese Zeitmessung mit GNSS findet auch Anwendung im Bereich der Börse, welche Transaktionen in Millisekunden tätigt.
 

Heute können auch Universitäten mit ihren Studierenden einen Satelliten bauen und in den Weltraum schiessen.  Markus Rothacher

Wie hat sich die Weltraumforschung in den letzten Jahren verändert?

Früher war der Weltraum nur ein paar wenigen Institutionen wie den Weltraumorganisationen NASA oder ESA zugänglich. Sie wickelten alle wesentlichen Weltraumprogramme und Satellitenmissionen ab. In den letzten Jahren wurden Satellitenbauteile viel kleiner und günstiger. Daher können heute auch Universitäten mit ihren Studierenden einen Satelliten bauen und in den Weltraum schiessen. Daraus entstehen nicht immer gleich die genialsten Anwendungen und Beobachtungsmöglichkeiten, aber es ist möglich. Damit findet eine Demokratisierung des Weltraums statt.

Die Situation veränderte sich auch dadurch, dass ein Satellit nicht mehr mit absoluter Sicherheit funktionieren muss. Stattdessen lanciert man heute kleinere Satelliten, dafür aber viele. Wenn einer ausfallen sollte, stehen immer noch andere zur Verfügung.

Da gibt es auch einen wirtschaftlichen Aspekt: Die wichtigsten Raketenstarts in Amerika werden heute kommerziell angeboten. Das wäre früher undenkbar gewesen, da die NASA alles in der Hand hatte. Mit der zusätzlichen Überlegung, Passagiere auf Weltraumflügen mitzunehmen, gab es in den letzten Jahren also einen Paradigmenwechsel.

Aber wir beobachten auch negative Folgen: Ähnlich wie beim Mount Everest, der heute von vielen Menschen bestiegen wird, hat man das Gefühl, jeder müsse jetzt einen Satelliten in den Weltraum bringen. Das führt zu einem riesigen Berg von Abfall, Weltraumschrott, und man weiss nicht, wie man den beseitigen soll. Anders als in den Bergen ist der Abfallberg im Weltraum noch viel schwieriger zu entfernen.  

CubETH
Nanosatelliten-Projekt (CubETH) mit GNSS-Empfängern an Bord

Was lernen die Studierenden an Ihrem Studiengang?

Der Studiengang heisst seit Herbst letzten Jahres «Raumbezogene Ingenieurwissenschaften». Dies zeigt die enorme Breite, die vom Weltraum und von Satelliten bis zur Raumplanung reicht. Generell gesagt geht es um alles, was mit räumlicher Information und Positionierung zu tun hat. Es geht auch um das genaue Erfassen und Verstehen von Bewegungen und Veränderungen in der Natur und der Umwelt. Dazu gehört auch die Kartographie, das traditionelle Messen auf der Baustelle, das Überwachen von Infrastruktur und geografische Informationssysteme.
 

Aufgrund der Veränderungen der letzten Jahre sieht man, dass der Weltraum nicht mehr nur Forschern und der Science Fiction vorbehalten ist.  Markus Rothacher

Am 25. Juni findet ein Focus Event zum Thema «Weltall - Spitzenforschung und Hightech» statt, und Sie nehmen daran als Experte teil. Können Sie mehr über das Thema sagen?

Der Weltraum ist einmalig, da er Spitzentechnologien erfordert. Wenn etwas «oben» ist, kann man an der Hardware nichts mehr verändern. Wenn etwas nicht funktioniert, dann hat man schlechte Karten. Für das System Engineering setzt das Massstäbe. Die beschränkten Ressourcen und die Kosten pro Kilo verlangen zudem modernste und miniaturisierte Technologien für den Weltraum.

In der Weltraumforschung geht es von fundamentaler Forschung bis zur Anwendung. Ich bin etwas mehr in der Anwendung zu finden, da die GNSS-Satelliten einen sehr grossen Anwendungsbereich eröffnen. Aufgrund der Veränderungen der letzten Jahre sieht man, dass der Weltraum nicht mehr nur Forschern und der Science Fiction vorbehalten ist. Der Weltraum wird zentral für unser tägliches Leben. Wer schaltet heute nicht das Navi auf dem Smartphone ein, um den Weg zu finden? Ohne die so hoch oben positionierten Satelliten hätte man keine Chance, dies zu realisieren.

Das Gleiche gilt für die heutige Erdbeobachtung, welche man ohne Satelliten gar nicht realisieren könnte: Wie geht es den Tropenwäldern oder wie sieht es mit dem Wasserhaushalt einer Region aus? Wo gibt es Verlandungen oder Verwüstungen? Wo schmelzen Gletscher und Eiskappen? Solche zentralen Fragen werden heute mit Beobachtungen vom Weltraum aus beantwortet.

In den letzten Jahren wurde die Weltraumforschung also viel anwendungsbezogener und greift in unser tägliches Leben ein. Das merkt man aber oft gar nicht, da man sich bereits daran gewöhnt hat. Nach dem Tsunami auf Sumatra machte beispielsweise das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt die ersten Aufnahmen aus dem Weltraum und konnte mit einem Vorher-Nachher-Vergleich sehr schnell die Grösse der Verwüstungen dokumentieren.

Wer sollte den Focus Event besuchen?

Der Besuch lohnt sich für alle, welche am Thema Weltraum interessiert sind. Es könnte auch interessant sein für Personen, welche sich fragen, ob die Ausgaben in Milliarden-Höhe gerechtfertigt sind. Aber auch die philosophische Frage, was es bedeutet, dass wir die Erde vom Weltraum aus betrachten können, ist spannend. Denn damit wird uns die Endlichkeit der Erde und deren Ressourcen vor Augen geführt. Was bedeutet diese Wahrnehmung für den einzelnen Menschen, für die Gesellschaft?
 

Weltall - Spitzenforschung und Hightech

Focus Event

25.06.2019 um 18.30 Uhr

ETH Hauptgebäude, F5

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