Patrick Anquetil: Vom Unternehmervirus befallen

Alumni Porträts

Patrick Anquetil ist nach seinem ETH-Studium für ein PhD nach Cambrigde, Massachusetts auf­gebrochen. An der amerikanischen Ostküste heimisch geworden, baut er gerade sein zweites Start-up-Unternehmen auf, mit dem er Grosses vorhat.

von Roland Baumann
Anquetil Alumni P.

Patrick Anquetil, mit 40 Jahren serieller Unternehmer, da­neben Vizepräsident des New England Chapter der ETH Alumni, strahlt eine Energie aus, die ansteckt. Auch wenn er selbst mit Blick auf seine bisherige Karriere immer wieder bescheiden von Glück und Zufall spricht: Es ist das Glück des Tüchtigen, das ihn charakterisiert. Zurzeit ist er mit voller Kraft daran, seine zweite Firma aufzubauen. Mit der Start-up-Firma Portal Instruments will er ein Gerät auf den Markt bringen, mit dem sich Medikamente ohne Nadel in­jizieren lassen. Eine beinahe revolutionäre Idee.
«Es ist unglaublich!», beginnt Anquetil seine Ausführun­gen. «Die hypodermische Nadel ist 160 Jahre alt und damit wohl eine der ältesten Technologien, die heute noch ange­wendet werden.» Die Nadel sei simpel und eigne sich sehr gut, um Medikamente zu verabreichen. Aber sie ist auch gefährlich: Weltweit sterben jährlich Dutzende Millionen von Menschen, weil sie Nadeln falsch benutzen. Und auch in Spitälern gibt es Unfälle, weiss Anquetil: «Obwohl Ärzte und Krankenschwestern im Umgang mit Nadeln bestens geschult sind, stechen sie sich jedes zehnte Jahr an einer Nadel.» Diese Unfälle sollen bald der Vergangenheit angehören.
Das neue Gerät, das als Prototyp bereits bestens funktioniert, soll aber viel mehr können als «nur» Wirkstoffe in den Körper bringen. Es erlaubt eine personalisierte Medi­kation und erinnert die Patienten daran, ihr Medikament zu nehmen. Gleichzeitig erkennen die Sensoren des Geräts, ob der richtige Patient das richtige Medikament zum rich­tigen Zeitpunkt an der richtigen Körperstelle injizieren will.
Wie kam der CEO von Portal Instruments, der an der ETH Zürich Maschinenbau studiert hatte, auf diese Idee? «Es war einer dieser Zufälle», sagt Anquetil. Im Sommer 2012 habe ihn sein Doktorvater Ian Hunter vom MIT kon­taktiert und ihm die Technologie der nadelfreien Injektion gezeigt: «Schau sie dir an, und wenn du daran glaubst, gründen wir eine Firma.» Diese Gelegenheit packte der ehemalige Student beim Schopf. Zumal er bei seiner ersten Firma, die er mitgegründet hatte, «eigentlich gerade nichts mehr zu tun hatte», wie er verschmitzt anmerkt.
Als Hunter ihn kontaktierte, war Anquetil als Direktor für strategische Planung bei SynapDx tätig, einem Start-up- Unternehmen, das er vier Jahre zuvor mitbegründet hatte.

«Innert dreier Jahre haben wir 45 Millionen Dollar an Risikokapital aufgenommen»Patrick Anquetil

Die Firma hat eine molekulare Diagnosemethode entwickelt, mit der sich anhand der Blutwerte feststellen lässt, ob jemand an Autismus leidet. Das Unternehmen war ein Senkrechtstarter: «Innert dreier Jahre haben wir 45 Millio­nen Dollar an Risikokapital aufgenommen», erzählt Anquetil nicht ohne Stolz. Inzwischen läuft die grösste klinische Studie, die im Bereich Autismusdiagnose je durch­geführt wurde – mit 800 Patienten. Die Hoffnung der Firmen­gründer und Investoren: Nächstes Jahr sollen relevante Daten vorliegen, die im klinischen Alltag Verwendung fin­den. Und während die Studie läuft, baut Anquetil eben sein zweites Unternehmen auf.
Unternehmer werden, das war schon immer ein Traum des gebürtigen Franzosen. Bereits als ETH-Student schrieb er Businesspläne, die er 1998 bei Venture einreichte, dem Businessplan-Wettbewerb, den das Beratungsunternehmen McKinsey und die ETH Zürich damals lancierten. So richtig vom Unternehmervirus infiziert wurde er aber erst am MIT, wo er 1999 sein PhD-Studium aufnahm. «Das waren Zeiten, als Ingenieure höchstes Ansehen genossen», schwärmt Anquetil. Jede Art von Forschung am MIT habe zu einer Firmengründung führen können. «In Ian Hunters Gruppe war jeder Student ein potenzieller Unternehmer.»

«Ohne die ETH wäre nichts von dem passiert, was ich gemacht habe.»Patrick Anquetil

Dennoch schlug Anquetil nach seinem PhD zuerst einen anderen Weg ein. Es war die Zeit, als sich Investoren für Nanotechnologie interessierten. «Leute wie ich, die ihnen den wissenschaftlichen Hintergrund erklären konnten, wa­ren gesucht.» Und der damals 30-Jährige hatte bereits acht Jahre Erfahrung auf dem Gebiet: Schon als ETH-Student hatte er Vorlesungen dazu besucht. «Dass die ETH bereits 1996 Kurse in Nanotechnologie anbot, war wirklich ‹cutting edge›», erinnert er sich begeistert. «Wenn ich das hier er­zähle, glauben mir die Leute nicht.»
Mit seinen profunden Kenntnissen in Nanotechnologie verschlug es ihn für zwei Jahre an die Wallstreet. Doch der Wunsch, ein eigenes Unternehmen zu gründen, liess nicht nach. Um sich die betriebswirtschaftlichen Grundlagen zu erarbeiten, schrieb er sich für ein MBA-Studium an der Harvard University ein. Noch während die Anmeldung lief, gründete er seine erste Firma. Allerdings mit wenig Erfolg. Heute bezeichnet er das Unterfangen als lehrreiches Expe­riment.
Nun widmete er sich ganz seinem MBA-Studium, wo ihn ein weiterer Zufall zur Gründung von SynapDx führen sollte. Im zweiten Studienjahr ging er mit zwei Kommilito­nen der Frage nach, wo sich im Bereich Autismus die beste Investitionsgelegenheit bietet, und sie kamen auf die Dia­gnose. Rund ein Jahr nachdem sie die Arbeit abgegeben hatten, meldete sich eine Venture Capital Firma bei Anquetil, die ihm mitteilte, Stanley Lapidus, eine Kapazität im Be­reich der Diagnose, sei zum gleichen Schluss gekommen. «Die Investoren brachten uns zusammen, wir verstanden uns sofort und gründeten SynapDx.»
Auch bei Portal Instruments kann Anquetil auf gewich­tige Partner zählen. Der Pharmakonzern Sanofi, der das erfolgreiche Forschungsprojekt am MIT finanziert hatte, war bereit, sich am Start-up zu beteiligen. So hatte das Jung­unternehmen von Beginn weg eine finanzkräftige Partne­rin mit im Boot. «Was aber beinahe unheimlich ist: Wir haben gleichzeitig den Kunden für das Produkt, das wir entwickeln», entfährt es Anquetil. Denn um die Wirkstoffe nadelfrei injizieren zu können, braucht es nicht nur das Gerät, sondern auch neue Medikamente, die von Sanofi parallel entwickelt werden – eine Art Nespresso-System. Da Medikament und Gerät so eng gekoppelt sind, wird Sanofi die Geräte auch vertreiben. «Diese Ausgangslage ist für ein Start-up-Unternehmen einzigartig», begeistert sich der CEO.
Noch ist es ein steiniger Weg, bis das Gerät eingesetzt werden kann. Investoren wollen gefunden werden, und dann braucht es noch grünes Licht von den amerikani­schen Gesundheitsbehörden für die neuartige Technologie. Doch wer mit Anquetil spricht, zweifelt keinen Moment, dass er die Leute vom Produkt überzeugen wird.
Erstaunlich, dass der serielle Unternehmer daneben noch Zeit findet, sich für die ETH Alumni zu engagieren. Doch sein Amt als Vizepräsident des New England Chapters übt er mit Leidenschaft aus. Weil er etwas zurückgeben will: «Ohne die ETH wäre nichts von dem passiert, was ich gemacht habe. Davon bin ich felsenfest überzeugt.» Die Hochschule habe ihm die grundlegenden Prinzipien vermittelt, die es ihm heute erlaubten, eine Geschäftsidee abzu­schätzen. «Dafür bin ich der ETH und letztlich der Schwei­zer Bevölkerung, die meine Ausbildung bezahlte, mein ganzes Leben lang dankbar», sagt der gebürtige Franzose.

Zur Person

Patrick Anquetil, Jahrgang 1973, ist in Paris aufgewachsen. Er kam 1993 an die ETH Zürich, wo er sein Maschinenbaustudium im Hauptfach Robotik abschloss. Es folgten ein PhD am MIT und ein MBA an der Harvard Business School. 2009 gründete Anquetil zusammen mit Stanley Lapidus ein Start-up-Unternehmen, das im Bereich der Autismus-Diagnose erfolgreich tätig ist. Seit 2013 baut er als CEO sein zweites Unternehmen auf, das ein Gerät für eine nadelfreie Injektion von Medikamenten entwickelt. Patrick Anquetil ist Vizepräsident des New England Chapters der ETH Alumni.

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