Anja Ulrich: «Wenn man mutig ist und eine Pionierrolle einnehmen will, kann das eine tolle Reise werden.»

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ETH Alumna Anja Ulrich gehört zu den ersten, die den Master in Quantum Engineering abschliessen werden. Sie ist Präsidentin der kürzlich gegründeten Mitgliederorganisation Quantum Engineering Alumni. In diesem Interview erzählt sie, was die Ziele von QEC sind, und was sie nach dem erfolgreichen Abschluss des Masters plant.

von Sibylle Schuppli
Anja Ulrich

Was wolltest Du als Kind werden?

Bis in die Sekundarschule war es mein Wunsch, Bundespräsidentin zu werden (lacht). Es war eine Ernüchterung, als ich lernte, dass ich «nur» eine Ehrenstellung hätte, eine «prima inter pares». Ich finde die Politik nach wie vor spannend und stellte mich auch bei den letzten Nationalratswahlen als Kandidatin zur Wahl. Leider hat es nicht geklappt, darüber bin ich aber nicht traurig. Es war eine gute Erfahrung und hat grosse Freude gemacht.

Wie bist Du mit dem Wunsch, Bundespräsidentin zu werden, an die ETH gekommen?

Umentschieden habe ich mich, weil ich zuerst etwas anderes machen wollte. Mit diesem anderen Hintergrund kann ich immer noch in die Politik wechseln. Der umgekehrte Weg ist schwieriger.
Mein Schwerpunkt an der Kanti war Mathematik und Physik. Ich entschied mich also für ein Ingenieursstudium und schaute die ETH und die EPFL genauer an. Die EPFL gefiel mir sehr gut, aber das Bachelorstudium ist auf französisch. Ich wollte ein anspruchsvolles Studium nicht noch mit der Sprachhürde belasten. Also entschied ich mich für Zürich.

Du hast Deinen Bachelor in Elektrotechnik und Informationstechnologie abgeschlossen. Aktuell bist Du dabei, Deinen Master in Quantum Engineering zu machen, als Erste eines Jahrgangs. Was ist es für ein Gefühl, bei den Ersten gewesen zu sein?

Diesen interdisziplinären Master bietet die ETH als erste Hochschule weltweit an. Im Feld der Quantentechnologien ist die ETH eine der führenden Universitäten. Obwohl der Studiengang primär für Physik wie auch Elektrotechnik Studierende gedacht ist, ist der Studiengang beim Elektrotechnik Departement angesiedelt. Eines der Hauptziele dieses Masters ist, die aktuellen technischen Herausforderungen in den Quantentechnologien anzupacken. Nicht die fundamentale Physik, sondern die technische Umsetzung ist aktuell die grösste Hürde in dem Feld. Momentan besteht ein Hype um das Thema, es fliessen viele Gelder in die Forschung wie auch in die junge Industrie. Die Erwartungen sind hoch, und es wird investiert.

Für uns als Masterstudierende ist das fantastisch: Die tiefhängenden Äpfel sind noch nicht alle gepflückt. Wir können das Thema mitgestalten und auch entscheiden, in welche Richtung wir uns bewegen wollen. Es gibt dazu viele und interessante Berufsmöglichkeiten. Ich mag die Ingenieurswissenschaften und möchte nahe an der Praxis bleiben. In den etablierten Ingenieursdisziplinen geht es vielfach ums Optimieren. Ich möchte aber lieber mitgestalten und Neues implementieren. Wenn man mutig ist und eine Pionierrolle einnehmen will, kann das eine tolle Reise werden.

Du bist Präsidentin der neu gegründeten Mitgliederorganisation Quantum Engineering Alumni. Was sind Eure Ziele?

Die Jahrgänge sind noch klein. Durch die Überschaubarkeit der Gruppengrösse hatten wir während des Studiums einen guten Zusammenhalt und Austausch. An der ETH kommen die zukünftigen Spitzenleute im Quantum Engineering zusammen. Ich finde es wichtig, dass wir es schaffen, diesen Zusammenhalt zu behalten.
Viele Studierende haben einen internationalen Hintergrund. Mit dem Abschluss werden unsere Wege weit auseinandergehen, thematisch wie geografisch. Die Idee ist also, uns weiter über persönliche und berufliche Themen auszutauschen. Wir möchten auch bewusst Alumnae und Alumni regelmässig aus ihren unterschiedlichen fachlichen «Blasen» rausholen. So können wir die Herausforderungen der Quantentechnologien gemeinsam beleuchten und Lösungsansätze finden. Zusammen sind wir besser und effizienter und können das Feld formen.

Mit der neuen Mitgliederorganisation möchten wir natürlich auch die Verbindung zur ETH und zu der Studierendenvereinigung erhalten. Wir behalten so auch den Kontakt mit potenziellen Berufskolleginnen und Berufskollegen. Wir möchten den Studierendenverein unterstützen, beispielsweise durchs Anbieten von Praktika.
Momentan schwebt uns vor, alle zwei Jahre eine Zusammenkunft mit einem Konferenzcharakter zu organisieren. Man trifft sich, und es gibt Seminare – von Mitgliedern für Mitglieder.

Wer kann der Gruppe beitreten?

Alle Absolventinnen und Absolventen des Masters können natürlich beitreten. Wir sprechen auch solche an, welche diesen Abschluss zwar nicht haben, aber ihr Curriculum in diesem Bereich gestalten.

Was sind Deine Pläne nach dem Abschluss des Masters?

Die Fachkräfte, die momentan in diesem Feld arbeiten, haben keine lineare Ausbildung. Auch weil es sie nicht gab. Der Ruf nach ausgebildeten Fachkräften ist enorm. Einige Absolventinnen und Absolventen treten eine Stelle in der Industrie an, andere machen einen Doktor.

Ich schaue mich aber aktuell nach einer Doktoratsstelle um. Das widerspricht zwar ein wenig meiner Aussage, dass ich nahe an der Praxis bleiben will. Meines Erachtens bietet aber die Akademie momentan mehr. Das in Form von Expertise aber auch Infrastruktur. Die Industrie ist noch relativ jung. Den Wunsch, nach meinem Doktor in die Industrie zu wechseln, habe ich aber immer noch. Eine spannende Professur könnte mich jedoch eventuell locken, in der Akademie zu bleiben (lacht).

Hast Du noch einen Tipp für Studierende, die sich überlegen, den Master zu machen?

Das Thema ist aktuell in aller Munde, das kann abschreckend sein. Man soll sich davon nicht entmutigen lassen. Die Supportstrukturen an der ETH sind sehr gut. Wenn man den Bachelor an der ETH schafft, ist der Master in Quantum Engineering machbar. Wichtig ist, dass man Freude am Thema hat. Man ist an vorderster Front bei einer Technologierevolution mit dabei, was auch mit gewissen Risiken verbunden ist. Wen das nicht abschreckt, sondern anspornt, dann ist der Master empfehlenswert.

Generell möchte ich besonders auch die Frauen ermutigen in ihre Fähigkeiten zu vertrauen und bei technischen Fachrichtungen wie auch bei solchen Technologierevolutionen munter mitzumischen.

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