«Nachhaltigkeitsthemen haben uns schon immer begeistert»

Die ETH Alumni Diego Sigrist und Kuba Szczesniak sind Mitgründer des Start-ups «Scandens». Sie arbeiten an einer Softwarelösung, um die Energie- und Klimabilanz von Gebäuden einfacher zu verstehen und mittels intelligenter Investitionsplanung zu optimieren. Sie sprechen über ihre Leidenschaft, Dinge zu verändern und ihre wachsende Sorge um das Klima.

von Anita Kendzia
Diego und Kuba von Scandens

Warum habt ihr euch entschieden, an der ETH zu studieren?

Diego: Für mich war es eine naheliegende Wahl. Ich habe mich schon immer sehr für Naturwissenschaften und das Lösen von mathematischen Problemen interessiert. Daher habe ich mich für ein Studium an der ETH entschieden und ich muss sagen, dass ich meine Wahl bis heute nicht bereue.

Kuba: Bei mir war das etwas anders. Ich bin bewusst in die Schweiz gezogen, um ein Masterstudium in Energiewissenschaft und -technologie zu absolvieren. Der Grund für die Bewerbung war der einzigartige interdisziplinäre Charakter des Programms, das einen soliden Hintergrund auf dem Gebiet in Kombination mit einer breiten Palette von Wahlfächern bietet. Diese Wahlfächer befassen sich nicht nur mit technischen Aspekten, sondern auch mit politischen und wirtschaftlichen Lösungen zur Förderung der Energiewende.

Woher kommt euer Interesse an Klimathemen im Gebäudesektor?

Diego: Ich denke, ich kann für uns beide sprechen, wenn ich sage, dass wir uns schon immer für Nachhaltigkeitsthemen interessiert haben. Persönlich ist mein Interesse – und natürlich auch meine Sorge – während meines Studiums an der ETH sehr gewachsen. Denn dort wurde ich mit all den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Klimakrise konfrontiert und diese sind ziemlich klar: Die Klimakrise ist eine dringende und riesige Herausforderung. Zudem ist der Bausektor für fast 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Also beschloss ich, mich zu engagieren. Angefangen hat dann alles mit meiner Bachelorarbeit zum Thema Wärmepumpen.

Kuba: Nachhaltigkeit und die Energiewende haben auch mich schon immer interessiert. Durch den wissenschaftlichen Hintergrund an der ETH konnte ich in mich in das Thema vertiefen. Durch eine Semesterarbeit und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Architektur und Gebäudesysteme wurde dieses Interesse noch grösser.

Was meiner Meinung nach sehr einzigartig am Gebäudesektor beziehungsweise seiner Dekarbonisierung ist, ist nicht nur, dass er der grösste Emittent von Treibhausgasemissionen ist - sondern auch, dass man sich nicht zwingend auf grosse Akteure wie Unternehmen in der Energieerzeugung und Stromübertragung oder Fahrzeughersteller verlassen muss. Handeln kann jede einzelne und jeder einzelner selbst.

Könnt ihr uns ein wenig darüber erzählen, wie Scandens entstanden ist?

Kuba: Anfang 2020 bin ich nach Boston gezogen, um meine Masterarbeit am MIT (Massachusetts Institute of Technology) zu machen. Gleichzeitig zog Diego für ein Praktikum bei Swissnex (dem Schweizerischen Konsulat für Innovation und Technologie) nach Boston. Da wir beide an der ETH studierten, wurden wir schnell sehr gute Freunde. Während der Pandemie blieb viel Zeit für lange Spaziergänge und Diskussionen darüber, was unsere Werte sind, was Nachhaltigkeit für uns bedeutet und was wir tun möchten.

Im Juni 2020 haben wir dann erstmals ernsthaft über unsere Ideen gesprochen und darüber, ob wir sie möglicherweise weiterentwickeln können. Wir wollten eine sinnvolle Lösung entwickeln, die zur Dekarbonisierung von Gebäuden beiträgt. Einige Monate später kehrten wir in die Schweiz zurück. Seit November 2020 arbeiten wir Vollzeit an Scandens.

Diego:
Wir hatten das Glück, dass wir nach einem Jahr eine Partnerschaft mit dem Migros Pionier Fonds eingehen konnten. Damit werden Projekte in der Frühphase oder Start-ups unterstützt, deren Lösungen einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben. Da wir ein wirkungsorientiertes Start-up mit einer klaren Mission zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors sind, passte es perfekt.

Kuba:
Ausserdem hatten wir das Glück, einen dritten Mitgründer mit einem betriebswirtschaftlichen Hintergrund zu finden, der früher in der FinTech- und Bankenbranche gearbeitet hat. Dies hat uns sehr geholfen, unser Start-up auf solide Beine zu stellen. Infolgedessen haben wir im Oktober 2021 das Unternehmen offiziell gegründet.

Wo steht das Unternehmen heute, und was bietet eure Softwarelösung?

Kuba: In einem Satz zusammengefasst: Unsere Softwarelösung quantifiziert mit nur einem Mausklick die Energie- und Klimabilanz und das Modernisierungspotenzial jedes Gebäudes oder Gebäudeportfolios. In einem nächsten Schritt lassen sich dann massgeschneiderte Investitionspläne generieren, welche die Wirtschaftlichkeit der Immobilie maximieren und zugleich 1.5-°C-konform sind.

Diego:
Wir haben viele Markttests und Pilotprojekte mit potenzieller Kundschaft durchgeführt. Wir haben auch bereits erste Kundinnen unter Vertrag. Jetzt stellen wir die Webanwendung fertig mit dem Ziel, bis Ende des Jahres die neue Version der Web-App auf den Markt zu bringen. Denn wir haben Kunden, die ab dem nächsten Jahr unsere Software nutzen möchten. Es gibt also ein bisschen Zeitdruck, aber dies ist ja keine schlechte Sache.

Kuba:
Natürlich erweitern wir unsere Algorithmen auch ständig, um die neuesten Entwicklungen bezüglich Gebäudemodellierung in unsere Analyse einzubeziehen. Wir ziehen auch eine Expansion in andere europäische Länder oder die USA in Betracht. Bei den aktuell hohen Energiekosten sowie den neuen Energievorschriften ist der Bedarf an unserer Lösung enorm. Darauf wollen wir zeitnah reagieren.

Was motiviert euch bei der Arbeit auf persönlicher Ebene?

Kuba: Einerseits hat das, was wir tun, einen greifbaren Effekt. Wir quantifizieren immer, wie viel CO2 eingespart werden kann, was im Kampf gegen den Klimawandel sehr motivierend ist. Andererseits orientiert sich unser Handeln sehr stark an unseren persönlichen Werten. Es ist wirklich aufregend, etwas zu bewirken, etwas beitragen zu können.

Diego:
Dem kann ich nur zustimmen. Ich denke, wir sehen Sinn und Zweck in dem, was wir tun. Und das ist es dann auch, was uns antreibt. Und dann schätze ich natürlich die Freiheit, die Flexibilität, aber auch die Verantwortung, die man hat, wenn man im eigenen Start-up arbeitet. Ich fühle mich sehr privilegiert, dies tun zu können.

Habt ihr persönliche Tipps für Studierende an der ETH?

Kuba: Man sollte sich nicht nur auf die Studien-Module konzentrieren, sondern auch andere Möglichkeiten erkunden, die die ETH bietet. Wenn sich zum Beispiel die richtige Gelegenheit für ein Projekt bietet, sollten man sie ergreifen. Nimm dir Zeit für Entscheidungen, zum Beispiel dazu, was das Thema deiner Masterarbeit angeht, oder darüber, an welchem Forschungsprojekt du teilnehmen möchtest. Letztendlich stärken diese Projekte deine Skills und Expertise in einem bestimmten Fachgebiet. Man kann seinen Ideen in einem nächsten Schritt Flügel verleihen.

Diego: Genau, hetze im Studium nicht, sondern lass dir Zeit. Es gibt so viele coole Möglichkeiten. Im Student Project House der ETH kannst du zum Beispiel an eigenen Projekten arbeiten und die erlernte Theorie praktisch anwenden. Und dann gibt es noch die Möglichkeit, während des Studiums ein oder mehrere Praktika zu absolvieren. Praxiserfahrungen zu sammeln, das kann ich jedem und jeder nur empfehlen.

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