«Klimaschutz auf Kosten der Biodiversität ist kontraproduktiv»

Isabella Sedivy hat Biologie an der ETH studiert und mit dem Master abgeschlossen. Die erfahrene Journalistin war viele Jahre beim Schweizer Radio und Fernsehen tätig und hat Naturfilme gedreht. Heute ist sie Mitinhaberin des Umweltbüros «Plan Biodivers», das sich für mehr Biodiversität in der Schweiz einsetzt.

von Anita Kendzia
Isabella Sedivy

Was wolltest du als Kind werden?

Mein Traumberuf war schon sehr früh Tierfilmerin, ich dachte aber nicht wirklich, dass dieser Wunsch realistisch ist. Auf jeden Fall wollte ich mich für Tiere und die Natur engagieren. Es hat mich schon sehr früh beschäftigt, wie schlecht die Menschen mit der Umwelt umgehen.

Warum hast du dich damals für ein Studium an der ETH entschlossen?

Ich habe mich für das Biologiestudium entschieden, weil ich dachte, dass mir das am ehesten hilft, meinem Traumberuf näher zu kommen. Ich wohnte in Zürich bei meinen Eltern, also hatte ich die ETH direkt vor der Haustür. Auch war es hier möglich, das Studium in vier Jahren zu absolvieren, was mir wichtig war, weil ich möglichst bald ins Berufsleben, in die Praxis wechseln wollte.

Du hast 2003 von der WSL zum Schweizer Fernsehen gewechselt: also von der wissenschaftlichen Arbeit zum Journalismus. Welches waren die Gründe?

Ich hatte eine geniale Zeit an der WSL (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft). Es ist ein wunderbarer Arbeitsort mit sehr vielen interessanten und kollegialen Menschen, die dort arbeiten. Ich durfte bei spannenden Projekten mitwirken: vom Borkenkäfer-Monitoring, über die langfristige Waldökosystemforschung - ich bin da durch die ganze Schweiz gereist und habe in den Wäldern Fotos vom Blätterdach gemacht für den sogenannten «Leaf Area Index» – bis hin zum internationalen Programm MONARPOP, welches persistente und andere organische Schadstoffe (POPs) im Alpenraum erhebt. Ich hatte aber auch Zweifel, ob eine wissenschaftliche Karriere mit Doktorat und starker Spezialisierung in einem einzelnen Fachgebiet das Richtige für mich war. Nach zwei Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der WSL entschied ich mich, mein Glück zu versuchen und kam auf meinen Traumberuf zurück. Ich bewarb mich blind bei der Redaktion Netz Natur. Zuerst arbeitete ich einige Tage zur Probe mit, dann konnte ich ein Praktikum machen, und schon nach zwei Monaten hatte ich dank ganz viel Glück eine Festanstellung.

Ihr nennt euch bei «Plan Biodivers» selbst «Asphaltknackerinnen». Kannst du etwas zur «Entstehungsgeschichte» erzählen und was deine/eure Arbeit beinhaltet?

Asphaltknackerinnen heisst eines unserer eigenen Projekte. Sonst arbeiten wir auf Mandatsbasis für verschiedene Auftraggeber. Asphaltknackerinnen deshalb, weil wir so viele versiegelte Flächen wie möglich zugunsten der Biodiversität aufbrechen und begrünen möchten, das ist unser Plan. Die Firma «Plan Biodivers» habe ich zusammen mit meiner Kollegin vom SRF, Bettina Walch, gegründet. Wir hatten ab 2018 gemeinsam das Projekt Mission B am SRF aufgegleist und geleitet. Unter dem Motto «Jeder Quadratmeter zählt» riefen wir die Leute dazu auf, auf ihren Balkonen und in ihren Gärten Platz für mehr Biodiversität zu schaffen und damit den Bestand von Insekten zu fördern, der in den vergangenen Jahrzehnten regelrecht eingebrochen ist. Nachdem diese Mission planmässig nach eineinhalb Jahren zu Ende ging, und SRF die Sendung Netz Natur nach der Pensionierung von Andreas Moser aus dem Programm nahm, haben wir uns gesagt: Machen wir doch einfach selbstständig weiter mit den Themen, die uns wichtig sind. Wir konnten in der langen Zeit bei SRF ein tolles Netzwerk aufbauen und so kamen die Aufträge wie von selbst.

Für die Abteilung Landschaft und Gewässer des Kantons Aargau dürfen wir zu Biodiversität und Klima kommunizieren. Wir haben die Klimastrategie von Liechtenstein überarbeitet und sind dort auch in die Erarbeitung einer Biodiversitätsstrategie involviert. Momentan arbeite ich an einem Dokumentarfilm für SRF zum Thema Bienen, Bettina macht viele Moderationen bei Tagungen und Podiumsdiskussionen. Seit etwa einem Jahr arbeitet auch Sabrina Stettler bei uns. Sie ist Umweltingenieurin mit Erfahrung in der Raumplanung und eine begabte Illustratorin.

Was habt ihr für Zukunftspläne? Mit wem arbeitet ihr zusammen?

Momentan lassen wir uns noch etwas treiben, es kommen so viele spannende Themen und Aufträge, dass wir uns gar nicht so sehr auf etwas Einzelnes festlegen möchten. Die «Asphaltknackerinnen» möchten wir gross machen, auch über Zürich hinaus. Bei Biodiversität geht es ja immer auch um Lebensqualität. Wir möchten die Leute motivieren, in diesem Bereich aktiv zu werden. Wir haben auch ein Neophyten-Projekt in der Erarbeitung und eines zum Thema Landwirtschaft und Ernährung. Wir arbeiten mit sehr vielen verschiedenen grösseren und kleineren Playern zusammen und unterstützen überall da, wo es um die Förderung der Biodiversität geht. So haben wir beispielsweise in der Debatte um die Förderungen der erneuerbaren Energien auf Kosten der Natur für den WWF Videos zum Biotopschutz und für den Fischereiverband ein Faktenblatt zum Thema Restwasser erstellt.
Die Wissenschaft zeigt, dass wir mit zukünftigen Herausforderungen nur dann zurechtkommen, wenn wir Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversität zusammen denken. Ohne intakte Artenvielfalt keine Resilienz. Klimaschutz auf Kosten der Biodiversität ist kontraproduktiv, denn die Biodiversität ist unsere Lebensgrundlage und sie ist unsere stärkste Verbündete bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels.

Was motiviert dich persönlich in deiner Arbeit für «Plan Biodivers»?

Nicht nur sind die Themen spannend, sondern meine Arbeit ist auch sinnvoll. Ich habe mit vielen guten und interessanten Menschen zu tun, die sich ebenfalls für die Natur und den Erhalt unserer Lebensgrundlage einsetzen. Mit ihnen gemeinsam freue ich mich darüber, wenn neu etwas Schönes, Lebendiges entsteht und wir aufzeigen können, dass es immer einen Weg im Einklang mit der Natur gibt und dieser meist auch am wirtschaftlichsten ist. Darüber hinaus gefällt mir die Zusammenarbeit in unserem kleinen Team. Und ich habe die Freiheit, selbst zu entscheiden, an welchen relevanten Themen ich arbeiten möchte.

Für mehr Biodiversität in der Schweiz: externe SeitePlan Biodivers
Projekt Asphaltknackerinnen: externe Seitehttps://planbiodivers.ch/asphaltknackerinnen/

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