Nicole Aegerter: Von der Materialwissenschaftlerin zur Unternehmerin

Die Materialwissenschaftlerin Nicole Aegerter ist Mitbegründerin des ETH-Spinoffs Antefil, das glasfaserverstärkte Kunststoffe für den industriellen Leichtbau produziert. Nicole erzählt über ihre Motivation, etwas zur Kreislaufwirtschaft beizutragen.

von Anita Kendzia
Nicole Aegerter
Fotografin: Lea Ladner

Was wolltest du als Kind werden?

Lustigerweise habe ich früher in Freundschaftsbücher immer hineingeschrieben, dass ich Forscherin werden möchte. Was auch immer ich mir damals darunter vorgestellt habe - aber das war mein Berufsziel. Und das bin ich ja nun geworden.

Warum hast du an der ETH studiert?

Ich konnte schon an der Kantonsschule mit Wirtschaft und Sprachen nicht viel anfangen. Mathematik, Physik, Biologie und Chemie – das waren meine Fächer. Deswegen habe ich mich schon immer für Technik und Naturwissenschaften begeistert. Das Studium an der ETH war dann eine logische Konsequenz daraus.

Wie bist du auf das Thema faserverstärkte Kunststoffe gekommen und woher kommt dein Interesse daran?

Ich habe während meines Masterstudiums eine Semesterarbeit dazu geschrieben und meine Master- und Doktorarbeit drehte sich dann später auch um dieses Thema. Die Begeisterung ist bis heute geblieben; Deswegen beschlossen wir, mit Antefil diese Technologie zu kommerzialisieren.

Mich faszinierte es in erster Linie, die Vorteile zweier Materialien in einem neuen Produkt mit besseren Eigenschaften zu vereinen. Faserverstärkte Kunststoffe werden vielerorts angewendet, wie zum Beispiel in Sportgeräten wie Tennis- oder Eishockeyschlägern oder auch in Windturbinenblättern. Man findet diese Verbundwerkstoffe in allen Produkten, die bewegt werden und gleichzeitig mechanisch belastet sind und somit weniger Energie verbrauchen, wenn sie leicht sind. Heute ist es so, dass die Fasern nur sehr mühsam mit dem Kunststoff vereint werden, was Prozesse langsam und aber auch teuer macht. Und genau dieses Problem lösen wir, indem wir die Faserproduktion und das Mischen mit dem Kunststoff in einem Prozess integrieren.

Was motiviert dich, daran zu arbeiten?

Für mich persönlich ist es sicher die Tatsache, dass wir ein Material erzeugen, das mit der Kreislaufwirtschaft im Einklang steht. «Nachhaltigkeit» ist für mich ein sehr wichtiges Thema. Das heisst in unserem Fall, Prozesse zur Herstellung von Leichtbaumaterialien effizienter gestalten, die in der Anwendung dann weniger Energie verbrauchen. Die Kombination dieser Vorteile mit der Möglichkeit das Material am Ende der Lebensdauer zu rezyklieren, macht unser Material nachhaltiger und einem breiteren Anwendungsgebiet zugänglich; verglichen zu herkömmlichen Lösungen auf dem Markt.

Was läuft bei euren Kunstfasern anders als bei einer herkömmlichen Produktion und welche Vorteile gibt es?

Die Mehrheit der heute verwendeten Verstärkungsfasern wird aus Glas hergestellt, da sie den perfekten Kompromiss zwischen Materialkosten, mechanischer Leistung und Recyclingfähigkeit bieten. Diese Fasern werden nach ihrer Herstellung und Verarbeitung in Gewebe und Gelege mit dem Kunststoff vermischt und härten dann aus. Dieser Prozess ist sehr langsam und führt oft zu schlechter Qualität, weil das Material zwischen diese Fasern fliessen muss. Dort bleiben dann auch Luftblasen übrig, die dann wieder einen Einfluss auf die mechanische Belastbarkeit haben. Und die heutigen faserverstärkten Kunststoffe werden zu einem Grossteil gar nicht rezykliert, weil der Kunststoff chemisch vernetzt ist.

Wir hingegen beschichten jede einzelne Glasfaser während der Faserproduktion direkt mit schmelzbarem Kunststoff. Das hat den Vorteil, dass durch Erwärmen des Kunststoffs und unter etwas Druck innert kürzester Zeit ein qualitativ hochwertiges Bauteil hergestellt werden kann. Das macht die Herstellung von Bauteilen kosten- sowie energieeffizienter und somit können diese in Grossserien eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Kombination von schmelzbarem Glas und Kunststoff eine zirkuläre Materialökonomie ermöglicht.
 

«Wir wollen die Produktion von faserverstärkten Kunststoffen revolutionieren.»
Nicole Aegerter

Was sind eure Zukunftspläne?

Aktuell arbeiten wir an einer skalierten Prototypenanlage für die Faserproduktion, um unsere Produktionskapazität zu erhöhen und damit erste Projekte mit potenziellen Kunden zu beliefern. Momentan produzieren wir ein paar Gramm pro Tag, aber für Grossserienanwendungen müssen wir Tonnen pro Monat produzieren. Dies hilft uns in Märkten wie der Automobilbranche Fuss zu fassen, in welcher Leichtbaumaterialien den Energieverbrauch vom Fahrzeug reduzieren. Neben Anwendungen mit hohen Stückzahlen sehen wir aber auch Potenzial bei grossen Bauteilen mit niedrigen Stückzahlen wie beispielsweise Windturbinenblätter, die von unseren Vorteilen in der Reduktion der Zykluszeiten und der Rezyklierbarkeit profitieren können.

Was würdest du jungen Studierenden in einem technisch-naturwissenschaftliches Studium oder Interessierten für ihre Laufbahn raten?

Wer nichts versucht, wird nicht herausfinden, ob es funktioniert könnte. Ich finde es wichtig, dass man etwas ausprobiert und möglicherweise riskiert zu scheitern und dafür daraus lernt.

Du bist nun seit kurzem bei Antefil angestellt – wie empfindest du diesen Sprung von der ETH ins Unternehmertum?

Genau, seit dem Abschluss meines Doktorats engagiere ich mich zu 100% für Antefil. Wir sind aber noch an der ETH eingemietet. Der Wechsel von der Wissenschaftlerin zur Unternehmerin ist eine Herausforderung, die mir enorm Spass macht. Es geht darum, unser Produkt marktfähig zu machen, was im kompletten Gegensatz zu meiner Forschung an der ETH steht. Etwas Neues aus dem Nichts zu kreieren, macht am Ganzen Spass und motiviert mich persönlich.
 

Vergrösserte Ansicht: Antefil

externe SeiteAntefil Composite Tech ist ein ETH-Spin-Off, entstanden aus einem Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Verbundwerkstoffe und adaptive Strukturen an der ETH. Gegründet wurde es im Februar 2022.  

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