Tagsüber Student, nachts einen Tauchroboter testen

Die ETH-Alumni Jonas Wüst und Pragash Sivananthaguru vom ETH Spin-off Tethy Robotics tüfteln gemeinsam mit anderen an einem Tauchroboter. Dieser hat nicht nur einzigartige Fähigkeiten, sondern er wird bereits bei der Schweizer Armee eingesetzt. Sie erzählen von ihrer Arbeit, von Höhen und Tiefen, von Erfolgsmomenten und fast schlaflosen Nächten.

Tethys Robotics: Jonas Wüst und Pragash Sivananthaguru

Jonas und Pragash, im Juni ging die Geschichte des verlorengegangenen U-Boots Titan um die Welt. Ihr führt das ETH Spin-off Tethy Robotics und habt einen autonomen Unterwasserroboter entwickelt, der eingesetzt werden kann, wenn es für Menschen zu gefährlich wird. Wie habt ihr die das Geschehen verfolgt?

Jonas: Das war schon eine dramatische Geschichte. Wir wurden oft darauf angesprochen und wir haben es natürlich in den Medien verfolgt. Aber mit unserem Roboter, der nur bis in Tiefen von 300 Metern eingesetzt werden kann, ist dieses U-Boot technisch gesehen nicht verwandt. Für uns steht im Vordergrund, sichere (unbemannte) Tauchroboter für die Unterwasserwelt zu entwickeln.

Wann und wie kommt euer Roboter bereits zum Einsatz?

Pragash: Seit Mai 2022 wird unser Prototyp erfolgreich beim Schweizer Militär eingesetzt, um Munition in Gewässern zu überwachen und zu bergen. Davon gibt es nämlich 8000 Tonnen in Schweizer Flüssen und Seen. So soll gezeigt werden, dass der Roboter in der Praxis funktioniert.

Jonas: Der Tauchroboter kann auch für die Suche nach Personen genutzt werden. Bei der Polizei wird er auch bereits dafür getestet.

Ihr seid damit auf Erfolgskurs: Ihr habt im Student Project House gestartet und 2019 als erstes Schweizer Team an der MATE ROV Competition teilgenommen, einem internationalen Tauchroboter-Wettbewerb für Studierende in Tennessee, bei dem ihr in den Top 10 gelandet seid. Euer neuester Roboter Proteus wird bereits von lokalen Behörden für die Unterwassersuche und -Rettung eingesetzt. Was unterscheidet euren Roboter von anderen Tauchrobotern?

Pragash: Es gibt ganz verschiedene Tauchroboter, manche sind so gross wie Container, die in der Tiefsee eingesetzt werden. Unser «Proteus» gehört eher zu den Kompakten, er wiegt etwa 25 Kilogramm; wobei das Schwerste daran die Akkus sind. Er kann insbesondere bei starken Strömungen und schlechter Sicht in Flüssen und Seen eingesetzt werden.

Jonas: Unser Roboter ist sehr autonom, er weiss aufgrund seiner Software immer, wo er gerade ist. Das kann in Flüssen bei starken Strömungen sehr wichtig sein. Diese sehr präzise und schnelle Lokalisierungsfunktion ist etwas, was ihn im Vergleich zu anderen Tauchrobotern auszeichnet. An unserem Lab ist man in Sachen Flugrobotik sehr weit und dasselbe wollen wir mit unserem Tauchroboter erreichen. Er ist also quasi eine Drohne für Unterwasser.

Ihr arbeitet nicht allein. Tethys ist ein siebenköpfiges, interdisziplinär aufgestelltes Team. Wie hat das alles begonnen?

Pragash: Los ging es 2018 noch während unseres Bachelorstudiums. Wir waren acht Studenten aus Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik, die sich über persönliche Kontakte im Student Project House der ETH zusammengefunden haben.

Jonas: Ich glaube, es war sehr gut, dass wir gleich zu Beginn die verschiedenen Talente und Fähigkeiten vereinen konnten. Insbesondere, weil wir in sehr kurzer Zeit – vier Monate – den Roboter für den Wettbewerb in den USA bauen mussten. Danach sind fünf Personen am Projekt drangeblieben, zwei neue sind dazugekommen. Seit 2020 arbeiten wir daran, ein Start-up zu gründen.

Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, an einem Unterwasserroboter zu tüfteln?

Pragash: Wir sind alle fasziniert von Technik, von Robotik. An der ETH gibt es fliegende, laufende und kriechende Drohnen, aber Unterwasserdrohnen gab es damals noch nicht. Das Projekt ist im Laufe der Zeit mit verschiedenen Unterprojekten intensiver geworden, das gefällt mir.

Jonas: Ich fand es immer spannend, dass man sehr schnell in einen Bereich der Robotik kommt, wo noch niemand etwas versucht hat. Wir können viel Pionierarbeit leisten. Ein Vorteil ist, dass wir uns im Lab sehr eng mit anderen ETH-Forschenden austauschen können und so von deren Erkenntnissen für die Unterwasserrobotik profitieren. Ich mag es, etwas Neues auszuprobieren. Das Projekt ist auch «erwachsener» geworden, wir wollen das Ganze jetzt kommerzialisieren. Das macht mir auch Spass.

Wenn ihr zurückblickt auf euren bisherigen Weg, was war positiv? Gab es Stolpersteine?

Pragash: Für mich war es sehr gut, dass wir so früh im Studium mit dem Projekt angefangen haben und das Theoretische aus dem Studium ins Praktische umgesetzt haben. Das war ausschlaggebend für einen guten Start.

Jonas: Die Arbeiten waren studienbegleitend. Wir haben eine optimale Unterstützung von der ETH, vor allem auch von AEL (Autonomous Systems Lab: https://asl.ethz.ch/) erhalten. Das ist sehr wichtig, wenn das Projekt vorangetrieben werden soll. Das Zeitmanagement war für uns alle ein kritisches Thema: Wir waren Vollzeit-Studenten mit einem stark wachsenden Projekt nebenbei. Das prägt einen, hilft aber auch für den späteren Weg. Danach geht mit der kommenden Start-up-Gründung ein riesiger Fächer von Aufgaben auf: Finanzielle oder rechtliche Fragen fordern einen dann und natürlich die Suche nach potenziellen Kundinnen und Kunden.

Habt ihr mal ans Aufhören gedacht?

Pragash: Nein, daran habe ich nie gedacht. Es ist ein grosses Projekt und genügend Ressourcen zu haben beziehungsweise diese zu koordinieren, ist für uns wichtig.

Jonas: Auf der einen Seite ist so ein Roboter ein komplexes System und das braucht viel Aufmerksamkeit und Ressourcen. Auf der anderen Seite haben wir Aufgaben wie Tests durchführen, Gespräche führen und natürlich die Finanzen im Auge behalten. Das ist schon manchmal ein Auf und Ab. Aber wir wachsen daran (lacht).

Was war euer erster/grösster Erfolgsmoment mit Tethys?

Pragash: Für mich ist es jedes Mal ein toller Erfolg, wenn der jeweilige Prototyp-Roboter im Wasser ist und er tatsächlich funktioniert.

Jonas: Für mich ist es auch schön, wenn wir von Partnern positives Feedback für unsere Arbeit erhalten. Das ist dann schon etwas, was einen «aufstellt».

Ihr habt 2022 euer Studium in Maschinenbau (Jonas) bzw. Biotechnologie (Pragash) an der ETH abgeschlossen und eure Arbeit bei Tethys zu eurem Beruf gemacht. Wie habt ihr die Entscheidung gefällt, euer Unternehmen weiterzuführen und wie habt ihr den Einstieg in die Berufswelt erlebt?

Jonas: Wir haben alle während des Studiums Praktika in der Industrie gemacht und dort erste berufliche Erfahrungen gesammelt. Wir hatten also den Vergleich zwischen Industrie und der Arbeit in einem ETH-Spinoff. Basierend darauf konnten wir uns alle individuell Gedanken machen, ob wir unser Projekt weiterziehen möchten. Als wir dann im Masterstudium waren, fiel der Entschied, uns für ein Pioneer Fellowship zu bewerben. Und mit der gesicherten Finanzierung ging es dann weiter.

Mit welchen Gefühlen blickt ihr auf euer Studium zurück? Was ist euch am stärksten in Erinnerung geblieben?

Pragash: Für mich ist die Zeit, als ich mein ETH-Studium und die Tätigkeit für Tethy Robotics kombinierte, stark in Erinnerung geblieben. Für den Wettbewerb mussten wir unseren Tauchroboter natürlich testen, wir waren dafür nachts in einem städtischen Hallenbad. Das heisst unsere Tage sahen oft so aus: 8 Uhr morgens an der ETH, danach ins Labor, um weiter am Tauchroboter zu arbeiten und danach zwischen 10 Uhr abends und 5 Uhr morgens ins Hallenband mit unserem Roboter auf Tauchgang.

Welche Tipps habt ihr für Studierende der ETH in Bezug auf den Berufseinstieg nach dem Studium?

Jonas: Für alle Ingenieurberufe ist es aus meiner Sicht super, wenn man Erfahrungen in einem angewandten Projekt sammeln kann. In unserem Studium gibt es viele Möglichkeiten, bei Projekten mitzumachen und über die Wissenschaft hinaus zu denken. Auch wenn man nicht den Weg zu einem eigenen Start-up gehen will, bekommt man da so viele wertvolle Inputs und sammelt Erfahrungen, die einem im späteren Beruf weiterhelfen.

 

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