Ferdinand Metzler: «Zusammenarbeit ist wichtig, wenn viele schlaue Leute durch Technologie ein Produkt vorwärts bringen wollen, das funktioniert.»

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ETH Maschineningenieur Ferdinand Metzler war noch an der Bachelor-Arbeit und hatte den Master schon angefangen, als er seine Firma Fision gründete. Mit seiner Idee möchte er eine positive Wirkung im Bekleidungsmarkt erzielen. Dieser Vision ist er seit 2020 einen grossen Schritt nähergekommen: Durch den Verkauf an Zalando hat er nun Zugang zu ungefähr 40 Millionen Kundinnen und Kunden. Er erzählt, wie er in der europäischen Bekleidungsindustrie neue Standards setzen und die Entwicklung vorantreiben will.

von Sibylle Schuppli
Ferdinand Metzler

Was wolltest Du als Kind werden?

Ich bin auf dem Land aufgewachsen und wollte Bauer werden. Als Kind fand ich es schön, mich mit Tieren und der Maschinerie zu beschäftigen. Mit den Jahren entwickelte sich der Berufswunsch über Zimmermann zum Bauplaner, bis ich dann beim Maschinenbau an der ETH landete.

Du hast sowohl den Bachelor als auch Master als Maschineningenieur von der ETH. Was hat Dich an die ETH gebracht?

Ich war in Vorarlberg an einem technischen Gymnasium, einer höheren technischen Lehranstalt. So hatte ich schon einen Fokus auf Maschinenbau. Nach dem Abschluss war der Wissensdurst gross, und ich war voller Energie. Also bewarb ich mich an verschiedenen technischen Universitäten wie München, Wien, Graz und eben auch Zürich. Bei allen wurde ich aufgrund meiner Matura angenommen, nur die ETH Zürich wollte mich zuerst prüfen.

Für die Aufnahmeprüfung musste ich mich recht gut vorbereiten. Mitte September erhielt ich das positive Prüfungsresultat, eine Woche später fing der Unterricht an. Die ETH war die Hochschule, die schon bei der Aufnahme stark filterte. Ich sah das als Herausforderung, welche ich annahm. Da ich bis zum Entscheid nichts vorbereiten konnte, musste ich in Zürich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Zimmer organisieren.

Haben Dir die ETH Abschlüsse beim Berufseinstieg geholfen?

Während des Studiums arbeitete ich nebenbei, um es mir zu finanzieren. Aber einen klassischen Berufseinstieg hatte ich nicht. 2015 gründete ich meine Firma Fision, damals schloss ich grade meine Bachelor-Arbeit ab. Einige Kurse für den Master hatte ich schon angefangen. Ich hatte die Idee für Fision und wollte loslegen. Das Studiensekretariat half mir, wo es nur konnte. So konnte ich mich persönlich enorm weiterentwickeln.

Rückblickend gesehen bietet Zürich ein unglaublich tolles Umfeld. Als ETH Alumnus habe ich einfacher Kontakt zu den Lehrstühlen. Wir hatten beispielsweise Partnerschaften mit der ETH und EPFL. Mit Zalando sind wir Teil vom AI Center. Den Abschluss der ETH zu machen hilft enorm. Die Herausforderung ETH als 18jähriger anzunehmen hat sich für mich sicherlich gelohnt.

Wie kamst Du auf die Idee für Fision?

Was mich am Meisten inspirierte war meine Tätigkeit bei den ETH juniors. Im Zentrum stand das Wirtschaftliche. Da habe ich viel gelernt. Ausschlaggebend war dann das Austauschsemester in Hongkong. Da traf ich ein Konfektionär, der seine Kleider direkt an den Kundinnen und Kunden verkaufen wollte. Er hatte aber keine Ahnung, wie diese aussehen. Meine Idee war also, die Menschen zu vermessen. Mit unserer Software kann jeder und jede über das Smartphone von sich einen 3D-Scan erstellen, daraus ergibt sich ein 3D-Modell. Das kann man für den Bekleidungsbereich ausmessen.

Daraus ergeben sich drei Anwendungsbereiche: Der Erste ist massgeschneiderte Bekleidung. Der zweite Bereich sind Grössenempfehlungen. Damit reduzieren sich Retoure-Waren, denn momentan wird 50 Prozent der versendeten Ware aufgrund der falschen Grösse zurückgeschickt. Da liegt unser Hauptfokus. Das virtuelle Anprobieren der Kleider ist der dritte Bereich.

Dieses virtuelle Einkleiden hat einen grossen Innovationsgedanken. Vor zehn Jahren ging man noch in den Kleiderladen, probierte Kleider in verschiedenen Grössen an und fällte dann einen Entscheid. Der e-Commerce brachte den Wandel vom stationären Handel ins eigene Wohnzimmer. Man probiert die Kleider an, und was nicht passt wird zurückgeschickt. Unsere Idee geht weiter: Wie können sich Kundinnen und Kunden virtuell einkleiden, wie sieht es an ihnen aus? Man sieht das Kleidungsstück am eigenen, vorher vermessenen Körper. Man kann also verschiedene Grössen «anprobieren» und sieht auf dem Bildschirm, wie lose oder eng das Kleidungsstück sitzt. Neben der Grösse haben wir auch das Styling im Fokus, damit beispielsweise auch die Farbe oder Textur passt.

Du hast Deine Firma an Zalando verkauft, bist aber weiterhin als Geschäftsleiter. Was motiviert Dich?

Es sind mehrere Komponenten: Zuerst braucht es die richtigen Personen. Mein Motto ist «People is Business», und wir haben ein gutes Team zusammengestellt. Das Produkt muss mich nicht nur faszinieren, sondern eine positive Wirkung erzielen.

Mit Zalando haben wir ungefähr 40 Millionen Kundinnen und Kunden in Europa. Bei diesem Umfang können wir eine Wirkung erreichen: Wir können CO2 reduzieren. Die Bekleidungsindustrie ist im digitalen Bereich eher im Hintertreffen. Wir können Standards setzen und die Entwicklung vorwärtstreiben. Mit Zalando agieren wir nicht nur aus einer Nische heraus, was ihn zu unserem Wunschpartner macht. Kulturell passt es auch, wir haben die gleichen Visionen.

Du hast Dein Studium vor noch nicht allzu langer Zeit abgeschlossen, aber doch schon einen reichen Erfahrungsschatz. Hast Du einen Tipp an die Studierenden von heute?

Es gibt tatsächlich einige Sachen (lacht). Gründe keine Firma, bevor Du nicht mit dem Studium fertig bist. Wenn man beides zu Ende bringen will, kostet das Zeit und Energie. Wenn Du Tag und Nacht mit so vielen Bällen jonglierst, kann das mühsam sein. Mach einen Schritt nach dem anderen. Bei mir war der Drang einfach so gross, meine Idee weiterzuverfolgen. Aber ich empfehle dieses Vorgehen nicht.

An der ETH kriegt man extrem komplexe technische Probleme vorgesetzt, die man lösen muss. Die Tendenz zu einfachen Lösungen geht oftmals verloren. Der Schritt zum Einfachen wird nicht so durchgespielt wie die komplexe Lösungssuche. Aus meiner Erfahrung ist es einfach, ein Problem komplex zu gestalten. Es ist hingegen schwierig, ein komplexes Thema einfach zu lösen. Insofern können sich ein Schritt zurück und das kritische Hinterfragen lohnen.

Studiere, wofür Du brennst. Wähle ein Thema, wofür Du eine Passion hast, dann funktioniert es einfacher. Meine Passion brennt immer noch für den Maschinenbau: Ich will Sachen bauen, ich will sie verstehen und vorwärtsbringen.

Der letzte Punkt ist das Multidisziplinäre, das geht an der ETH in die richtige Richtung. Alle Studierende der ETH sprechen die gleiche Sprache, das ist ein riesiger Vorteil. Ungefähr 80 Prozent unserer Mitarbeitenden sind von der ETH, wir kommunizieren untereinander extrem gut. Ich weiss ausserdem, wofür ich diese Mitarbeitenden einsetzen kann und wofür nicht. Ich weiss auch, dass ETH Ingenieurinnen und Ingenieure aus verschiedenen Disziplinen wie Maschinenbau, Elektro und Software zusammenarbeiten können. Die strenge und einheitliche Ausbildung ist eine riesige Grundlage. Man sollte schon während des Studiums über den Tellerrand schauen, wie es die anderen machen. Um auch mit ihnen zusammenzuarbeiten. Zusammenarbeit ist wichtig, wenn viele schlaue Leute durch Technologie ein Produkt vorwärts bringen wollen, das funktioniert.

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