Thomas Hug: «Neugierde, keine Angst vor neuen Sachen und Durchhaltewillen sind für mich wichtige Komponenten im Leben.»

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ETH Alumnus Thomas Hug schloss den Bachelor und Master am heutigen Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH ab. Um sich nicht zwischen Verkehrs- oder Raumplanung entscheiden zu müssen, gründete er 2020 ein integriertes Planungsbüro mit. In diesem Interview spricht der Präsident der ETH REIS Alumni über seinen bisherigen Werdegang und über die Wichtigkeit von Netzwerken und Neugierde.

von Sibylle Schuppli
Thomas Hug

Was wolltest Du als Kind werden?

Ich tauchte gerne in fremde Welten ein, also wollte ich als Kind Schauspieler werden. Wegen der Frisur, Brille und Augenfarbe wurde ich damals auch gelegentlich als Harry Potter bezeichnet. Ein Idol, das mich inspirierte, hatte ich aber nicht. Ich spielte lange Theater und habe immer noch viele Bekannte aus der Zeit. Ich war im musischen Gymnasium und wollte dieses Künstlerische weiterverfolgen.

Die technischen Fächer lagen mir aber auch. Ich merkte, dass ich sowohl eine kreative wie auch eine technische Neigung habe. In meinem jetzigen Job tauche ich auch in Lebensräume ein. Ich versuche mir vorzustellen, wie Orte in Zukunft lebenswerter werden könnten. Insofern denke ich, dass ich eine gute Mischung gefunden habe.

Vom Schauspielerwunsch an die ETH, denn Du hast einen Bachelor in Geomatik und Planung sowie einen Master in Raumentwicklung und Infrastruktursysteme von der ETH. Was hat Dich an die ETH gebracht?

Während des Gymnasiums reizten mich Geografie und Journalismus besonders. Aber ich wollte etwas Spezielleres machen. Es sollte etwas mit einem Bezug zur Erde inklusive technischen Aspekten sein. Ich wollte ausserdem planen, verschiedene Szenarien der Zukunft entwerfen.

Mein Plan war nie, an der ETH zu studieren, das traute ich mir nicht zu. Der Bachelor der ETH kam meinen Überlegungen aber am Nächsten. Also versuchte ich es, denn ich sah keinen Schaden. Hätte ich ein Jahr verloren, wäre das nicht schlimm gewesen. Ich «überlebte» das erste Jahr zu meinem eigenen Erstaunen gut und schaffte dann den Bachelor. Also machte ich weiter bis zum Master.

Januar 2020 hast Du urbanista.ch mitbegründet. Seit April 2021 arbeitest Du auch für die Stadt Zürich. Worum geht es?

Während des Studiums und auch zwischen dem Bachelor und Master arbeitete ich in einem Verkehrsplanungsbüro. Ich überlegte mir immer wieder, wie meine Reise weitergehen könnte, vor allem natürlich nach dem Studium. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich in einem klassischen Planungsbüro wohl fühlen würde. Verkehrs- und Raumplanung sind in solchen Büros meist strikte getrennt. Das finde ich schade, denn diese Themen haben für mich einen direkten Zusammenhang.

Dazu bin ich breit interessiert, ich wollte mich nicht auf das eine oder andere Thema festlegen. Mit einem Kollegen entwickelte und gründete ich die Idee zu externe Seiteurbanista.ch: Wir möchten das «Silodenken» auflösen und unseren Angestellten ermöglichen, den Blickwinkel offen zu halten. Wir sind zutiefst überzeugt, dass es für die Zukunft mehr Generalistinnen und Generalisten braucht und weniger Spezialistinnen und Spezialisten. Wir brauchen vermehrt ein Augenmerk für das grosse Gesamte.

Bei der Gründung von urbanista.ch arbeitete ich noch bei PubliBike. Ich hatte eine Zeit lang zwei Jobs parallel, was natürlich toll war. Ich konnte meine Idee verfolgen und hatte trotzdem ein gesichertes Einkommen. Mit urbanista.ch läuft es nun recht gut, und es macht grossen Spass. Die Freiheiten, die ich dadurch habe, gefallen mir sehr. Ich kann darüber entscheiden, wie ich arbeiten will. Wir sind zwar klein, aber wir bestimmen, welche Philosophie wir verfolgen, oder welche Arbeitsethik wir an den Tag legen.

Im Frühling 2021 wurde ich angefragt, mich auf ein einjähriges Mandat der Stadt Zürich zu bewerben. Ich fand das Thema und den Zeithorizont spannend. Ich vertiefe eine neue Thematik und kann mich nach einem Jahr wieder voll auf das Geschäft konzentrieren. Ich helfe der Stadt Zürich herauszufinden, wo sie Mobilitätsdaten erheben, und wofür sie diese nutzen können. Es gibt beispielsweise zahlreiche «Parkierapps», mit denen man Parkplätze buchen kann. Wie hoch ist die Auslastung der Parkplätze? Oder diese E-Trotinettes erfreuen sich grosser Beliebtheit. Welche Strecken werden gefahren? Die Auswertung solcher Daten kann in diesen Beispielen bei der Planung von Parkplätzen oder Velorouten unterstützen. Dank der Daten sieht man, wie sich die Menschen heute verhalten, und wo man die Infrastruktur anpassen sollte.

So rückt die Einschätzung der Planerinnen und der Planer in den Hintergrund. Es gibt allerdings Einschränkungen: Personen, welche nicht am Verkehr teilnehmen, sieht man nicht. Warum fährt jemand, der in Zürich wohnt und arbeitet, längere Strecken nicht mit dem Fahrrad? Die Gründe sind für die Planung fast genauso relevant. Deshalb wird sich die Rolle der Planenden wohl vom «Expertenwissen» zum «Menschenverstehen» verschieben müssen.

Du bist nebenbei noch Präsident der Fachgruppe REIS Alumni. Was motiviert Dich?

Ich finde es wichtig, dass ich mit den Personen aus dem Studium in Kontakt bleibe. Das können sowohl bekannte wie auch unbekannte Alumni und Alumnae sein. Als ich 2017 meinen Abschluss machte, gab es noch keine Gruppe für Raumentwicklung und Infrastruktursysteme. Weil wir in Kontakt bleiben wollten, gründeten wir die ETH REIS Alumni. In der Zwischenzeit haben wir 250 Mitglieder, das freut uns sehr. Es ergibt sich daraus eine Situation, in der alle gewinnen: Wir lernen ständig neue Personen kennen, und wir treffen auch noch befreundete Alumnae und Alumni, welche wir sonst vielleicht aus den Augen verloren hätten. Das motiviert enorm.

Im Vorstand der REIS Alumni sind wir aktuell vier Männer, und wir würden uns über Diversität sehr freuen. Auch sind wir offen für neue Ideen. Wer Lust hat, sich zu engagieren, ist bei uns herzlich willkommen. Wir versuchen, einmal im Jahr einen Ausflug und ein Skiwochenende oder Skitag zu organisieren. Wir sind unkompliziert und auch offen für Personen aus anderen Bereichen.

Mit der Pandemie hat sich die Organisation von Events etwas schwierig gestaltet. Wir erhielten die Rückmeldung, dass schon so viel online stattfindet. Wir möchten nun unsere Treffen wiederaufleben lassen. Aus der Pandemie können wir ja durchaus auch Positives mitnehmen. Wir haben im Herbst ein Treffen mit Apéro geplant, in dem wir genau das anschauen. Um nicht wieder in die alten Muster zurückzufallen, was können wir aus der Pandemie mitnehmen? Wir wollen diese Punkte zusammentragen, damit wir es nicht vergessen. Ich bin gespannt.

Hast Du einen Tipp an die Studierenden von heute?

Ich würde allen empfehlen, schon während des Studiums in einem Teilzeitpensum zu arbeiten. Es ist eigentlich egal, was Ihr macht. Denkanstösse aus unterschiedlichen Richtungen und Perspektivenwechsel können bereichernd sein. Das hat mir bei meiner Berufswahl sehr geholfen.

Nehmt vom Studium möglichst viel mit. Besucht möglichst viele Vorlesungen, auch in anderen Disziplinen. Nutzt diese Breite von Ideen und Theorien. Manchmal habe ich das Gefühl, dass man an der ETH in Gefahr läuft, einen Tunnelblick zu entwickeln. Es ist wichtig, dies absichtlich aufzubrechen. Denn es gibt viele Faktoren, die betrachtet werden wollen. Nutzt also die Chance während des Studiums, verschiedene Perspektiven einzunehmen.

Neugierde, keine Angst vor neuen Sachen und Durchhaltewillen sind für mich wichtige Komponenten im Leben. Ich habe noch nie eine negative Rückmeldung zu Neugierde erhalten. Im Gegenteil, meist gewinnt man durch Neugierde und Ausprobieren. Ausserdem hilft mir mein Wertekompass, dem ich folge. Ich versuche, mich daran auszurichten. Das stärkt mich auch beim Beruf. Gewisse Ziele lassen sich nicht von einem Tag auf den nächsten realisieren. Sie brauchen viel Zeit. Es ist gut, solche Ziele zu verfolgen, sie geben den Weg vor – vor allem in der schnelllebigen Welt von heute.

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