Walter Fust: Ingenieurwissen im Kopf, Handel im Blut
Alumni Porträts
So kennt ihn die Schweiz: Dipl. Ing. Fust – die Adresse für Haushaltgeräte im Discounthandel. Dass der Mann dahinter Unternehmer im Bereich Werkzeugmaschinenbau ist, wissen wenige.

Der Vater hätte den Sohn lieber als Elektriker gesehen. Doch dass er später einmal an der ETH studieren wollte, war dem Jungen, der aus einfachen Verhältnissen stammte, schon klar, als er seine Eltern davon überzeugte, ihn aufs Gymnasium zu lassen. Schon als 16-Jähriger verdient sich der Gymnasiast ein gutes Taschengeld mit dem Handel mit Occasionsmopeds. Mit 19 befasst er sich erstmals mit der Börse und kauft erste Aktien – «nicht immer, aber überwiegend erfolgreich», erzählt Walter Fust. «Das Handeln liegt mir im Blut», sagt der heute 73-Jährige, «aber ich bin immer auch Ingenieur gewesen.»
Der Händler
Die Firma Fust, später Dipl. Ing. Fust AG, gründete der umtriebige Jungunternehmer 1966 nach dem Maschinenbaustudium an der ETH, das er schnellstmöglich absolvierte. Nicht, weil es ihn nicht interessiert hätte – «ich habe an der ETH Maschinenbau studiert aus Überzeugung und Berufung», sagt er von sich –, sondern weil er das Studium selbst finanzieren musste. Womit? Durch den Versandhandel mit Elektro-Haushaltgeräten, den er während des Studiums nebenbei betrieb. Einen Tag in der Woche widmete er der Einfuhr günstiger Geräte aus Deutschland, die er in der Schweiz über Kleinanzeigen in Zeitungen verkaufte. «Und ich habe nicht schlecht davon gelebt», versichert Fust lachend, «das war eine tolle Zeit!» Sogar ein schnittiges Auto konnte er sich leisten, das er jeweils direkt vor dem ETH-Maschinenlaboratorium parkte, «dort, wo man heute höchstens noch ein Fahrrad abstellen kann». Die Erfahrungen, die er während der ETH-Zeit mit seinem kleinen Nebenbei-Versandhandel gemacht hatte, kamen ihm bei der Unternehmensgründung sehr zustatten. Das erste Geschäftsjahr 1967 brachte bereits einen Jahresumsatz von 1,5 Millionen Franken. Von da an wuchs die Firma stetig. Mit der Weiterentwicklung seines Discountunternehmens im grossen Stil machte sich Fust dann erst einmal wenig Freunde. Der damals in der Schweiz nahezu kartellartig organisierte Handel mit Elektrogeräten reagierte aufgeschreckt bis gehässig. «Es gab die Verbände der Elektroinstallateure und der Sanitäre, die hatten alles in den Händen», erinnert sich Fust. «Ich war ein Preisbrecher und wurde teilweise von Zulieferern regelrecht boykottiert.» Doch Fust baute seinen Discounthandel unbeirrt aus, auch mit der Übernahme von Konkurrenzfirmen. Bald zeugten Filialen in der ganzen Schweiz von seinem unternehmerischen Talent. In seinem luxusfreien Büro im Sitz der Fust AG im bernischen Niederwangen, zu dem man gelangt, wenn man den Fust-Laden über zwei Etagen zwischen Kühlschränken, Staubsaugern und Badausstattungen durchquert hat, hängt heute noch eine wandfüllende Schweizerkarte. Bunte Stecknadeln markieren existierende und einmal geplante Fust-Projekte. «Die ist dreissig Jahre alt – heute rede ich der Fust AG nicht mehr rein», versichert der Firmengründer.
«Ich habe an der ETH Maschinenbau studiert aus Überzeugung und Berufung.»Walter Fust
Der Bauherr
Es fällt schwer, das zu glauben, wenn man die Geschichte der Fust AG weiter Revue passieren lässt. Die Firma erweiterte ihr Sortiment, es kamen der Handel mit Kleingeräten und der Küchenbau hinzu, 1989 auch noch der Handel mit Unterhaltungselektronik. Und es entwickelte sich eine rege Immobilientätigkeit. «Detailhandel heisst immer auch Standorte. Wir haben schon sehr früh wichtige strategische Immobilien gekauft oder selbst gebaut», erläutert Fust. 1994 erfolgte, für manche überraschend, der Verkauf an Jelmoli. «Mir war zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Firma für einen Eintritt in den europäischen Markt zu klein war», begründet Fust diesen Schritt. Ausserdem habe keines von seinen drei Kindern Interesse an der Firma gehabt. Fust wurde zweitgrösster Jelmoli-Aktionär. Der Konzern steckte jedoch in Schwierigkeiten und zwei Jahre später bot man Fust den Rückkauf der Dipl. Ing. Fust AG an. «Die Lösung sah dann anders aus: Ich kaufte das gesamte Jelmoli-Aktienpaket des Mehrheitsaktionärs UTC und wurde damit selbst Mehrheitsaktionär des Jelmoli-Konzerns.» Unter Fusts Leitung baute man den Warenhauskonzern in einen Immobilienkonzern um. In dieser Zeit entstanden zum Beispiel die grossen Shoppingcenter beim Fussballstadion von Servette in Genf und beim Stadion in St. Gallen mit Walter Fust als Bauherrn – Projekte, an die sich Fust gerne erinnert. Im Zuge der Neuausrichtung der Jelmoli-Holding wurde die Dipl. Ing. Fust AG 2007 an Coop verkauft.
«Ingenieure allein – das sind manchmal gefährliche Leute.»Walter Fust
Der Ingenieur
Walter Fust hatte sich inzwischen anderen Interessen zugewendet. Denn eingeschlafen war die Liebe zum Maschinenbau nie. «Mich hat die Maschinenindustrie immer interessiert und ich habe mich in all den Jahren immer informiert», betont der ETH-Absolvent. Bereits Mitte der 1970er-Jahre hatte er begonnen, Aktien der Firma Starrag zu kaufen. Über diese Firma, die damals weltweit tätig war und sogenannte Kopierfräsmaschinen herstellte, hatte er schon als Gymnasiast einen Vortrag gehalten. «Die Unterlagen von diesem Vortrag habe ich heute noch», sagt Fust und legt ein vergilbtes, sauber beschriebenes und mit technischen Zeichnungen versehenes Papier auf den Tisch. 1988 wurde Fust VR-Präsident bei Starrag, in einer Zeit, als es der Firma überhaupt nicht gut ging. «Eigentlich habe ich mich mit Hilfe meines Aktienpakets regelrecht reingedrängt», sagt er rückblickend. Er habe es nicht mitansehen können: «Die Bude hat man damals regelrecht runtergewirtschaftet.» Die Firma, die in den besten Jahren über 1000 Mitarbeiter gezählt hatte, bestand nur noch aus 200 Angestellten. Zu ingenieursorientiert seien Entscheide gefällt worden und mit zu wenig wirtschaftlichem Denken, so Fusts Analyse. Das wollte er ändern. Unter seiner Führung galt von da an: «Spielereien können wir uns nicht leisten.» Der Unternehmer sorgte auch für eine gute Kapitalgrundlage und es gelang ihm, der Firma wieder Schwung zu geben. In Chemnitz in Deutschland übernahm er einige Jahre nach der Wende mit Heckert eine weitere Firma im Bereich Werkzeugmaschinenbau, auch dies eine Firma mit gutem traditionellem Namen, aber in desolater Situation und praktisch konkursreif. «Ein wohlüberlegtes Wagnis» nennt Fust diesen Schritt. Er legte damit den Grundstein für die heute existierende Starrag Group mit weltweiter Ausrichtung. Der weitere Ausbau erfolgte oft nach bewährtem Muster. Fust beobachtete Firmen mit gutem Namen langfristig und übernahm als kontrollierender Aktionär, wenn es ihnen schlecht ging. So beispielsweise auch bei SIP, einem weiteren Traditionsunternehmen des Werkzeugmaschinenbaus, das er schon in seiner ETH-Zeit kennengelernt hatte. «Irgendwann musste ich sagen, die machen es einfach nicht gut: Schöne Firmen, gute Namen, und jetzt wirtschaften die das runter – da hab ich mich eben engagiert.» Engagieren muss man sich mit Herzblut, mit Ingenieursverstand – und einem Sinn für den Handel, ist sein Credo. «Ingenieure allein – das sind manchmal gefährliche Leute», sagt Fust. Zu wenig Geschäftssinn. Andererseits schätzt er solides technisches Wissen. Das werde heute in den Schulen viel zu wenig vermittelt. Dass an der ETH der Maschinenbau wieder einen hohen Stellenwert hat, freut ihn. Als Unterstützer der Pioneer Fellowships und Mitbegründer von Inspire, dem Technologie-Transfer-Zentrum, das auf Initiative der ETH Zürich und der Schweizer Industrie gegründet wurde, hat er regelmässig Kontakt mit jungen ETH-Köpfen und ihren Ideen. «Wir haben einige Leute in der Entwicklung bei uns, die wir auf diesem Weg kennengelernt haben», sagt Fust.